Ein Bullyion-Kommentar über Privatabgaben, Ausreden und Tierheime, die längst keine Luft mehr haben.
Es ist ein Satz, der in Anzeigen immer wieder fällt , oft wortgleich, manchmal nur anders verpackt:
„Es liegt nicht am Hund.“
Und direkt danach: „Wir müssen ihn trotzdem abgeben.“
Wer sich heute durch Verkaufs- und Vermittlungsportale klickt, stößt auf eine auffällige Häufung von American Bullys, die abgegeben werden sollen. Nicht alt, nicht krank, nicht ungeliebt, zumindest nicht auf den ersten Blick. Die Gründe ähneln sich so stark, dass sie längst zu Textbausteinen geworden sind:
plötzlich ein Baby, keine Zeit mehr, veränderte Lebensumstände, der Hund ist eigentlich lieb, aber…
Und genau dieses „aber“ ist der Punkt, an dem ein individuelles Schicksal zu einem strukturellen Problem wird.
Die immer gleichen Gründe und was wirklich dahinter steckt einen American Bully abzugeben
In der Praxis liest sich das häufig so:
- „Baby ist unterwegs / Baby ist da – wir schaffen das nicht mehr.“
- „Jobwechsel / Trennung / Umzug – keine Zeit.“
- „Er ist ein lieber Hund, aber… (Leinenpöbeln, Unsicherheit, Ressourcenverteidigung, Beißvorfall).“
- „Wir haben alles versucht.“ (meist: ein paar YouTube-Videos, Hoffnung)
Klar: Ein Baby verändert alles. Schlafmangel, neue Routinen, weniger Zeit, weniger Nerven. Aber genau deshalb ist es so entscheidend, ehrlich zu sein. Ehrlich mit sich selber.
Viele Hunde werden angeschafft, weil sie optisch faszinieren und nicht, weil der Alltag zu ihnen passt oder sie sich besonders mit den Eigenschaften der Rasse beschäftigt haben.

Der American Bully ist eine Rasse, die polarisiert. Massiver Körperbau, breiter Kopf, starke Präsenz, viele verschiedene bunte Farben. In sozialen Medien wirkt er souverän, gelassen, beeindruckend. Genau dieses Bild verführt viele Menschen zur Anschaffung , ohne sich ernsthaft mit dem auseinanderzusetzen, was hinter der Optik steckt. Der American Bully ist ein Hund mit hoher emotionaler Sensibilität, klaren Bedürfnissen nach Struktur, Führung, Auslastung und vor allem: verlässlicher Konsequenz. Viele Bullys sind menschenbezogen, körpernah, wachsam, teilweise unsicher, schnell reizoffen. Er ist ein hundertprozentiges Lebewesen, mit Bedürfnissen, Lernverhalten, Emotionen, Frust, Stress (je nach Typ/Genetik/Sozialisation). Eigenschaften, die im richtigen Rahmen großartig sein können, im falschen jedoch schnell kippen können.
Was häufig fehlt, ist die ehrliche Frage vor dem Kauf:
Passt dieser Hund zu meinem Alltag, nicht nur jetzt, sondern auch in Krisen?
Wenn Überforderung mit einem American Bully zur Kettenreaktion wird
Der Deutsche Tierschutzbund beschreibt die Lage der Tierheime seit Jahren als dramatisch.
Eine Umfrage ergab 69 % Tierheime mit mindestens sehr hoher Auslastung, 49 % voll oder übervoll und im Sommer 25 hatten nur noch 18 % überhaupt Kapazitäten zur Aufnahme. Deutscher Tierschutzbund+1
Und es kommt noch härter. Tierheime berichten, dass problematische Verhaltensweisen (oft durch fehlende Sachkunde/Training) Plätze lange blockieren. Deutscher Tierschutzbund
Deutschlandfunk beschreibt ebenfalls, dass besonders verhaltensauffällige Hunde viele Einrichtungen massiv fordern. Deutschlandfunk
In einer Stellungnahme des Deutschen Tierschutzbundes (Landesverband Schleswig-Holstein) steht es erschreckend klar: Wöchentlich melden sich mehrfach Menschen, die Hunde abgeben wollen, weil sie mit der Erziehung völlig überfordert sind, teils mit Schnappen/Beißvorfällen; gleichzeitig können Tierheime wegen Platzmangel oft nicht helfen. Landtag Schleswig-Holstein
Verhaltensauffällige Hunde bleiben oft monatelang, manchmal jahrelang. Sie blockieren dringend benötigte Kapazitäten, obwohl sie nichts „falsch“ gemacht haben. Sie sind Produkte menschlicher Fehlentscheidungen und tragen die Konsequenzen.
Das Ergebnis: Hunde werden „in der Not“ weitergereicht, an die nächsten Überforderten. Und irgendwann steht da nicht mehr „jung und süß“, sondern: „schwierig“, „nur erfahrene Hände“, „nicht zu Kindern“. Und genau für diese Hunde sind Plätze inzwischen so gut wie nicht mehr vorhanden.
„Es liegt nicht am Hund/ American Bully“ – stimmt das?
Der Satz ist alt. Älter, als viele glauben. Schon lange bevor der American Bully in sozialen Netzwerken zum Modegag wurde, tauchte er in Tierheimprotokollen, Abgabegesprächen und Vermittlungsanzeigen auf…
„Es liegt nicht am Hund.“ Manchmal ist das richtig. Oft ist es eine Vereinfachung. Und nicht selten ist es ein Schutzschild, für das eigene Gewissen.
Historisch betrachtet waren Hunde nie neutrale Begleiter. Sie waren Arbeitskraft, Wächter, Jäger, Helfer, Tiere mit klaren Aufgaben und festen Strukturen. Verhalten entstand in Funktionen und Aufgaben. Erst mit der zunehmenden Emotionalisierung der Hundehaltung, besonders in den letzten Jahrzehnten, wandelte sich der Blick auf ein familiäres Zusammenleben. Hunde wurden Familienmitglieder, Projektionsflächen, soziale Partner, Ehe-Mann/Frau/Kinder ersatz. Was dabei häufig verloren ging, war etwas Entscheidendes: Planung und die Akzeptanz, das ein Hund ein individuelles und Eigenständiges Wesen ist.
Gerade der American Bully wird heute oft als „unkompliziert“, „familientauglich“ oder „easy going“ beschrieben. Ein Bild, das seiner Geschichte und seiner genetischen Anlage nur bedingt gerecht wird. Denn auch wenn der American Bully kein klassischer Gebrauchshund ist, bringt er dennoch Eigenschaften durch seine Gene mit, die Führung, Klarheit und Verlässlichkeit erfordern. Fehlen diese Elemente, sucht sich Verhalten seinen eigenen Weg.
Ein Hund, der lernt, dass Bellen Distanz schafft, wird bellen.
Ein Hund, der nie gelernt hat, Frustration auszuhalten, wird explodieren, wenn er warten muss.
Ein Hund, der inkonsequent geführt wird, wird Entscheidungen selbst treffen.
Und ein Hund, der gleichzeitig unterfordert und permanent reizüberflutet ist, wird sich ein Ventil suchen.
Das ist kein Charakterfehler. Es ist einfach lernen.
Wenn Halter später sagen, das Verhalten sei „plötzlich“ aufgetreten, ist das selten eine objektive Beschreibung, sondern meist ein Ausdruck davon, dass die Vorzeichen nicht erkannt oder ernst genommen wurden. Hunde senden früh Signale…Stress, Übersprungshandlungen, Meideverhalten, Körpersprache, leise Warnungen. Wer keinen klaren Plan hat, wer sich nicht mit Lernverhalten, Rasseeigenschaften und Alltagsmanagement auseinandergesetzt hat, übersieht diese Zeichen leicht.
So entsteht der Mythos vom Verhalten „aus dem Nichts“.
In Wahrheit war es ist nie aus dem Nichts. Es war aus fehlender Struktur. Aus fehlender Vorbereitung.
Aus der Annahme, dass Liebe allein genügt.
Der American Bully ist kein fehlerhafter Hund, wenn er Schwierigkeiten entwickelt. Er ist ein Hund, der auf das reagiert, was man ihm bewusst oder unbewusst beigebracht hat. Verantwortung endet daher nicht bei der Feststellung, dass „der Hund nichts dafür kann“. Sie beginnt genau dort!!!!!!!!!
Denn wenn es wirklich nicht am Hund liegt, dann liegt es zwangsläufig an uns.
Und das anzuerkennen, ist der erste Schritt, um zu verhindern, dass aus einem Lebewesen ein weiteres Abgabeinserat für 150.-€ wird.

Gerade bei bullartigen Hunden kommt noch ein Faktor dazu. Rechtliche Konsequenzen.
Ein Beißvorfall kann rechtlich und behördlich gravierend enden, bis hin zur Abgabeanordnung. RSW
Wer also „mal schauen“ als Strategie hat, spielt nicht nur mit dem Hundeleben, sondern auch mit dem eigenen.
Was du VOR dem Kauf eines American Bullys wissen musst (nicht erst, wenn es brennt)
Wenn du über einen American Bully nachdenkst, ist das hier kein „nice to have“.
Zeit & Energie – auch wenn ein Kind kommt
Hundealltag läuft weiter: Gassi, Training, Management, Arzttermine, Ruheaufbau. Ein Baby macht das nicht weniger, sondern mehr. Kinderplanung sollte vor dem Kauf schon geplant und einkalkuliert sein.
Hundetraining ist ein System
Bindung + Regeln + klare Rituale + Ruhetraining + Leinenführigkeit + Impulskontrolle. Es gehört in den Alltäglichen und wöchentlichen Fokus der Alltagsgestaltung.
Verhalten kann teuer werden
Trainer, Maulkorbtraining, Management, ggf. Therapiepläne. Und Tierarztkosten sind ohnehin ein Thema, das Tierheime zusätzlich belastet. OP und Krankenversicherung ist ein MUSS!
Optik ist kein Charakter
Massiger Kopf sagt nichts über Nervenstärke. Farbe sagt nichts über Sozialisierung. „ABKC-Papiere“ ersetzen keine Alltagstauglichkeit.
Plan B gehört zum Kauf eines American Bullys dazu
Wer betreut den Hund bei Krankheit, Wochenbett, Trennung, Krise? Wenn die Antwort „weiß nicht“ ist, dann ist es noch nicht so weit, sich einen American Bully anzuschaffen.
Ein Mahnmal und ein Hilferuf an unsere American Bully Community
Tierheime laufen am Limit. Plätze für verhaltensauffällige Hunde sind rar und die, die es gibt, sind oft schon belegt. Währenddessen werden auf Online-Marktplätzen weiter Hunde „verscherbelt“, als wären sie austauschbar, heute geliebt, morgen „muss leider“.
Wenn du gerade an dem Punkt bist, deinen American Bully abzugeben.
Bitte mach es nicht über Nacht, nicht über „Hauptsache weg“, nicht an den Erstbesten. Hol dir Hilfe, Trainer, Vereine, seriöse Vermittlung, klare Offenheit über Verhalten. Alles ist besser als die Kettenreaktion, die am Ende beim Hund landet.
Und wenn du überlegst, dir einen American Bully zu holen:
Lies. Lerne. Frag. Schau dir echte Alltage an.
Nicht das perfekte Foto, nicht den perfekten Körperbau, sondern: Wie fühlt sich ein Bully-Montag an, wenn du müde bist, dein Kind krank ist, es regnet und dein Hund gerade Pubertät hat? Dafür sind wir da, durchforste unser gesamtes Artikel-Portfolio, wir sind Neutral, wir sind Echt, wir halten nicht unseren Mund.
Denn genau da entscheidet sich, ob aus „Traumhund“ ein „dringend abzugeben“ wird. Wer einen American Bully liebt, trägt nicht nur Verantwortung für seinen eigenen Hund, sondern für die Rasse als Ganzes.