Der Traum vom fairen Wettbewerb auf ABKC Shows

Eigentlich klingt das System auf den ersten Blick glasklar, fast schon wissenschaftlich. Hunde werden nach einem festgelegten Rassestandard bewertet, der detailliert beschreibt, wie ein American Bully in Bezug auf Körperbau, Proportionen, Kopf, Bewegung und Temperament auszusehen hat. Dieser Standard ist das offizielle Regelwerk, das von den großen Verbänden wie der ABKC festgelegt und weltweit anerkannt wird. Er ist gedacht als objektives Maßband: Wer ihm am nächsten kommt, sollte gewinnen. In der Theorie bedeutet das, dass jeder Teilnehmer, unabhängig vom Namen seines Kennels, von seinen Kontakten oder seiner Bekanntheit, die gleichen Chancen auf den Sieg hat. Richter sollen unvoreingenommen und neutral auftreten. Ihre Aufgabe ist es, allein die Anatomie, das Wesen und die Präsentation des Hundes zu beurteilen, frei von Sympathien, persönlichen Beziehungen oder wirtschaftlichen Interessen. Ein Richterblick sollte sozusagen wie eine Lupe auf den Hund gerichtet sein. Wer länger als nur ein oder zwei Shows besucht hat, bemerkt wiederkehrende Muster. Manche Hunde räumen Trophäen ab, Show für Show, obwohl im Ring Tiere stehen, die objektiv gesehen näher am Standard sind. Während kleine anatomische Vorzüge in den höchsten Tönen gelobt werden, eine minimal schönere Rückenlinie, ein besonders kräftiger Kopf, werden deutliche Schwächen wie eine fehlerhafte Bewegung, eine zu kurze Schnauze oder mangelndes Temperament ignoriert. Für den außenstehenden Beobachter entsteht schnell der Eindruck, als ob nicht das Tier, sondern der Name im Katalog bewertet würde. Ein Newcomer mit hervorragender Qualität hat es schwer, durchzudringen, wenn er gegen etablierte Größen antritt.

Dazu kommt: Ein Richter ist auch nur ein Mensch. Selbst wenn er den Standard verinnerlicht hat, können Sympathien, Bekanntschaften oder auch unbewusste Voreingenommenheiten sein Urteil beeinflussen. Wer einen bekannten Hund schon mehrfach in Siegerfotos gesehen hat, sieht ihn automatisch durch eine andere Brille. Und wer mit wichtigen Züchtern beim Abendessen saß oder sie über Jahre hinweg kennt, bewertet deren Hunde möglicherweise milder. Die Diskrepanz zwischen dem offiziellen Anspruch – objektive Bewertung nach Standard – und der gelebten Realität im Ring ist genau das, was viele Züchter frustriert. Denn während der Standard eigentlich als „unbestechliches Maßband“ gedacht ist, wird er in der Praxis oft zu einem flexiblen Instrument, das sich den Machtstrukturen der Szene beugt. Richter sind häufig selbst jahrelang Teil dieser Szene. Sie kennen Züchter, haben vielleicht sogar Hunde von ihnen im eigenen Pedigree stehen oder wurden auf internationalen Shows gemeinsam gesehen. Diese Nähe kann unbewusst den Blick trüben. Ein kurzer Smalltalk oder eine Schulterklopferei reicht manchmal, um Sympathie in Punkte zu verwandeln. Für die, die dazugehören, öffnen sich Türen. Für die, die alleine kämpfen, bleibt der Ring oft ein Ort der Enttäuschung. Die Vorstellung, allein der beste Hund würde gewinnen, zerbricht an der Realität.

ABKC Show American Bully
Foto Canva/Bullyion

Einige versuchen, sich anzupassen: Sie beginnen, auf Shows zu reisen, Kontakte zu pflegen, Präsenz zu zeigen, nicht, weil sie es wollen, sondern weil sie müssen, um wahrgenommen zu werden.

Doch nicht jeder möchte sich diesem Spiel beugen. Gerade die Idealisten unter den Züchtern lehnen diese Art der „Selbstvermarktung“ ab. Sie züchten für die Rasse, nicht für die Pokale. Für sie zählt das Tier, nicht das Prestige. Doch genau diese Haltung führt oft dazu, dass sie im Rampenlicht der Szene kaum stattfinden. Während die großen Namen durch Sponsoren, Social Media und Showauftritte omnipräsent sind, verschwinden die stillen Züchter – die eigentlichen Träger der genetischen Vielfalt – zunehmend im Hintergrund.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, den viele Außenstehende unterschätzen: Der finanzielle Druck. Wer regelmäßig Shows besucht, zahlt hohe Startgebühren, Reisekosten, Unterkunft und oft auch professionelle Handler, die die Hunde im Ring präsentieren. Nicht selten fließen vierstellige Beträge in ein einziges Showwochenende. Wer das dauerhaft stemmen kann, bleibt sichtbar. Wer es sich nicht leisten kann, wird auf Dauer verdrängt.

So entsteht ein verzerrtes Bild: Die Öffentlichkeit sieht die Gewinner und glaubt, dort sei die höchste Qualität zu finden. Doch in Wahrheit repräsentieren viele Siegerhunde vor allem die Spitze eines Systems, das auf Einfluss, Geld und Image basiert – weniger auf objektiver Zuchtleistung.

Das Resultat ist ein gefährlicher Kreislauf:

  • Die „Großen“ gewinnen, weil sie sichtbar sind.
  • Sie bleiben sichtbar, weil sie gewinnen.
  • Neueinsteiger, die sich ehrlich hocharbeiten wollen, haben kaum eine Chance, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Langfristig kann das fatale Folgen für die Rasseentwicklung haben. Wenn immer dieselben Linien gepusht werden – unabhängig davon, ob sie genetisch gesund, stabil im Wesen oder wirklich standardtreu sind – geht Vielfalt verloren. Blutlinien ähneln sich immer mehr, genetische Engpässe entstehen, und die natürliche Balance innerhalb der Rasse verschiebt sich. In kaum einem anderen Bereich der Hundezucht wird so deutlich, wie stark Geld und Erfolg miteinander verflochten sind.

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Der moralische Aspekt – Verantwortung gegenüber dem Lebewesen, dem American Bully

Am Ende darf man eines nicht vergessen: Hinter all dem stehen Lebewesen. American Bullys, die ihr Bestes geben, ohne zu wissen, dass sie Teil eines Wettbewerbs sind, der längst nicht mehr nur sportlich ist. Wenn Entscheidungen aus Prestigegründen getroffen werden, wenn Trends über Gesundheit gestellt werden, dann wird das Tier zur Ware.

Dabei sollte genau das Gegenteil der Fall sein. Shows wurden ursprünglich ins Leben gerufen, um gesunde, charakterstarke und standardgerechte Hunde zu fördern, als Orientierung für Züchter, nicht als Bühne für Eitelkeiten. Wenn dieser Gedanke verloren geht, verliert die gesamte Szene ihre ethische Grundlage.


Die Chance auf Veränderung

Doch es ist nicht zu spät. Immer mehr Stimmen in der Community fordern Transparenz, Unabhängigkeit und echte Fachkompetenz in der Bewertung. Richter sollen nachweislich geschult und unabhängig agieren, Showregeln klarer formuliert, Interessenkonflikte offengelegt werden. Auch Social Media spielt hier eine Rolle: Öffentlichkeit schafft Druck.

Wenn sich mehr Züchter trauen, Missstände offen anzusprechen und ehrliche Arbeit sichtbar zu machen, könnte der Showring wieder das werden, was er sein sollte – ein Ort, an dem der beste Hund gewinnt, nicht der einflussreichste Name.

  • Bullyion

    Bullyion

    Bullyion wurde mit der Vision gegründet, eine Plattform zu schaffen, die sich exklusiv mit der American Bully Rasse beschäftigt. Das Magazin hat sich schnell als führende Informationsquelle etabliert und richtet sich an Züchter, Hundebesitzer und Liebhaber der Rasse. Ursprünglich aus Hamburg stammend, wurde Bullyion ins Leben gerufen, um eine Verbindung zwischen der Züchter-Community zu fördern und den Austausch über die Rasse zu erleichtern. Die Hauptintention von Bullyion ist es, verantwortungsvolle Zuchtpraktiken zu unterstützen und qualitativ hochwertige Informationen zu verbreiten. Die Plattform setzt sich dafür ein, dass nur Hunde mit ABKC-Papieren und entsprechender gesundheitlicher Auswertung präsentiert werden, um die Qualität und das Wohlbefinden der Tiere zu fördern. Zudem möchte Bullyion Züchtern und Interessierten hilfreiche Inhalte bieten – von Zuchtinformationen über Gesundheitsthemen bis hin zu Trainings- und Sportempfehlungen. Ein zentraler Aspekt ist die Förderung der verantwortungsvollen Haltung und Zucht, um Missverständnisse über die Rasse zu beseitigen und deren positive Eigenschaften als treue, liebevolle Begleiter hervorzuheben. Bullyion soll eine Community bilden, die auf respektvolle und ethische Zuchtpraktiken setzt.

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